Wer einmal drauf saß, möchte das Gefühl der leichten Schnelligkeit nicht mehr missen. E Bikes sind schwer im Kommen und längst keine Domäne von Rentnern und Großstadt-Yuppies mehr.
Vor allem, weil die aktuellen Jahrgänge nur noch selten so aussehen, wie man sich einst ein Elektrofahrrad vorgestellt hat. Mitunter sind sie als solches gar nicht zu erkennen. Das konservative Velo gegen eines mit Motorunterstützung einzutauschen ist jedoch mit einigen Überlegungen verbunden, die sowohl Anspruch als auch Budget mit einbeziehen sollten.
Wir haben deshalb drei sehr unterschiedliche Modelle zur Testfahrt gebeten. Allesamt irgendwie Exoten, die aber zusammengenommen einen Großteil der vorhandenen Möglichkeiten zumindest prinzipiell abdecken. Da wäre das Noord aus dem Fahrradland schlechthin. Den Holländer allerdings kann man gar nicht kaufen. Das Unternehmen aus Amsterdam bietet „E-Bike to go“, was nicht von ungefähr ein wenig an Kaffee erinnert. Der nächste Kandidat kommt aus Japan. Honbike wurde vor allem durch ausgeklügelte Falt-Fahrräder berühmt und tritt nun mit dem Uni4 an, das eine neue Sichtweise auf E-Bikes mit sich bringt. Dritter im Bunde ist N+Bikes. Eine australische Firma, die zusammen mit dem deutschen Premium-Hersteller Mercedes Benz Fahrräder auf den Markt bringt.
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Design
Noord ist mit der elektrifizierten Variante des Hollandrades am Start, was sich in den Grundzügen des Designs niederschlägt. Dazu ist das Bike eher Arbeitstier als Commuter geeignet, wie Pendler so schön neudeutsch genannt werden. Die Starrauflage vor der Gabel nimmt bis zu zehn Kilogramm schwere Körbe auf, gern auch einen Rucksack. Trotz der ausgeprägt starken und fast rechtwinklig geknickten Hinterradverstrebungen scheint ein Gepäckträger nicht vorgesehen. In den Streben befinden sich dann gleich zwei LED-Rückleuchten, die selbst bei Tage deutlich zu erkennen sind. Gleiches gilt für den sehr flach, aber dafür breit gehaltenen Front-Scheinwerfer, der sich unter der Korbauflage befindet. Bei Noord muss eine Größe für alle passen, ebenso bei der Farbe. Das matte Gunmetal-Grau allerdings sieht ziemlich cool aus. Zudem ist der Ton gerade auch bei Autos en vogue.
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Honbike definiert Fahrrad-Design neu. Drei armdicke Röhren bilden den Grundstock. Die aus leichtem Flugzeug-Alu gefertigten Täger gehen nicht ineinander über, sondern sind aneinander geschweißt. Daher verläuft die längste und zentrale von der rechten Hinterrad-Nabe vor zur Gabel auch schräg nach links. Das fällt vor allem auf, wenn man auf dem Rad sitzt und glaubt, der Lenker sei schief. Aber, alles eine Frage der Gewöhnung. Ein LED-Beleuchtung ist vorn im Rahmen integriert, hinten tuts ein separat zu schaltendes Rücklicht. Die Japaner bieten immerhin zwei Farben an: Weiß und Schwarz, wobei letzteres in seiner matten Ausführung eher wie Anthrazit mit bläulichem Einschlag wirkt, was dann wieder den Anschein von Plastik erweckt. Das Uni4 ist tatsächlich ein Pendler-Rad und für jene gedacht, die mit schmalem Gepäck unterwegs sind.
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Das sollten Besitzer des „Silver Arrow“ gleich gar nicht dabei haben. Getreu des Sportwagen-Mottos: Viel Platz für den Motor, wenig Platz für den Fahrer und kein Platz fürs Gepäck, ist beim Model von N+ kein Stauraum vorgesehen. Das Mercedes-Benz EQ Formel E Team verwendet einen klassischen Diamant-Rahmen, der aus handpoliertem Alu besteht und dem Namen „Silberpfeil“ zur Ehre gereicht. Die Starrgabel kommt im gleichen Edel-Desgin daher, der Rest wie Felgen, Lenker und Treteinheit sind schwarz gehalten. N+ bietet drei Rahmengrößen von S bis L, was eine deutliche bessere Passgenauigkeit zulässt.
In Sachen Optik könnten sich die Geister scheiden. Mit gängigen Konventionen bricht klar das Honbike, während N+ zwar auf bewährtes setzt, aber durch die Alu-Schwarz-Kombi einen echten Hingucker bietet. Noord ist mitnichten die graue Maus, denn das robuste Äußere gefällt durchaus.
Antrieb
Das Herzstück eines E-Bikes ist sein Motor in Verbindung mit der Form der Kraftregulierung. Auch hier unterscheiden sich die Kandidaten grundsätzlich. Einzige Gemeinsamkeit aller, die Kette ist out. Zum Einsatz kommt ausschließlich ein Carbon-Zahnriemen, der je nach Ausführung für mindestens 10 000 Kilometer wartungsfrei genutzt werden kann.

Die Japaner schicken ihr Rad mit dem in Mode gekommenen Singlespeed ins Rennen. Es gibt keine Schaltung mehr. Unterschiedlichen Geländeanforderungen kann der Fahrer nur mit elektrischen Unterstützungsstufen gerecht werden. Drei davon gibt es, die auf dem im Lenker integrierten Display nicht wie üblich mit Zahlen, sondern mit Farben angezeigt werden. Der in der Hinterrad-Nabe untergebrachte Motor leistet 45 Nm und ist damit der schwächste im Feld. Das allerdings wirkt sich in der Praxis nicht wirklich negativ aus. Denn die ohnehin bei 25 Km/h vom Gesetzgeber festgelegte Höchstgeschwindigkeit erreicht man auch so relativ problemlos. Wegen der fehlenden Übersetzungsmöglichkeit muss halt ein wenig schneller getreten werden. Bei Noord kommt die bewährte Nabenschaltung im Hinterrad zum Einsatz, mit der die vom Shimano-Mittelmotor gelieferte Kraft von bis zu 59 Nm sinnvoll ans Gelände angepasst werden kann. Dazu stehen vier Unterstützungsstufen für ein komfortables Fahrerlebnis bereit. Mit 80 Nm generiert der Mittelmotor bei Mercedes die meiste Power und ums Schalten muss sich niemand mehr kümmern. Denn ein Automatik-Getriebe von Enviolo sorgt dafür, dass die in fünf Stufen wählbare Unterstützung immer optimal der Geländeanforderung gerecht wird. Diese kann der Fahrer an einem Drehrad an der rechten Lenkerseite voreinstellen - was natürlich irgendwie schon einer Schaltung gleichkommt.
Akku
Einzig das Noord verrät durch sein verstärktes vorderes Rahmenteil, dass es sich um ein E-Bike handelt. Hier ist, wie mittlerweile häufig zu sehen, der Akku verbaut, der sich auch entnehmen lässt, aber per Schloss gesichert wird. Die Bosch-Batterie liefert 508 Wattstunden und ist in rund vier Stunden voll geladen. Gleiche Zeit brauchen die Energiespender im Honbike. Die Mehrzahl ist dabei durchaus angebracht, denn die Japaner haben im großen Mittelrohr gleich eine Vielzahl in Reihe geschalteter Akkus untergebracht, an die man natürlich nicht mehr herankommt. 434 Wattstunden liefert das Gesamtpaket und ist damit das Kleinste im Testfeld. Auch die Australier setzten auf mehr als einen Akku und verbauen zwei im Rahmen. Einer davon ist zugleich das Montagerohr für den Sattel und kann entsprechend entnommen werden. Mit 612 Wh steht im Mercedes die größte Akku-Kapazität zur Verfügung, die bereits nach 3,5 Stunden Aufladung erreicht wird.
Reichweite
Gemeinhin darf man davon ausgehen, dass die größte Batterie auch die größte Reichweite ermöglicht. Und tatsächlich weist das Silver-Arrow-Datenblatt bis zu 120 Kilometer aus. Das ist natürlich abhängig vom Geländeprofil oder der elektrischen Unterstützung. Auch ohne die fährt sich das Bike fast wie ein normales Fahrrad. Die sehr schmalen 28-Zoll-Räder reduzieren den Rollwiderstand auf ein Minimum und die Enviolo-Automatik funktioniert auch ohne Unterstützungsstufe. Nur die kleinste dazugenommen, ist man mit dem N+Rad im Prinzip sofort an der Maximalgeschwindigkeit. Allerdings braucht es zwei kräftige Antrittsumdrehungen, bis der Motor arbeitet. Insofern ist der Sportwagenvergleich wieder angebracht. Mag keine niedrigen Drehzahlen und liefert dann nur high performance. Da die Unterstützung wie bei allen anderen Bikes bei 25 Kmh eingestellt wird, hat man oft das Gefühl, kräftiger treten zu müssen. Erst der Rundenvergleich im Nachhinein zeigt, dass die Durchschnittsgeschwindigkeit beim N+ dauerhaft mindestens fünf Km/h über den anderen liegt. Kurzum, wer normal fährt und nicht nur die Berge hoch, kann mit dem Mercedes im Testfeld mindestens 100 Kilometer Reichweite schaffen.

Die gibt Honbike als Maximum an, obige Bedingungen mit eingerechnet. Auch das Uni4 fährt sich auf gerader Strecke und mit wenig Gegenwind locker ohne Elektrik. Wird diese dazu gebeten, greift sie ohne Wartezeit sofort und spürbar ein. Aufgrund der fehlenden Schaltung ist das aber nur bis ca. 20 Kmh wirklich bequem, darüber wird‘s ein schnelles Strampeln, allerdings ohne Krafteinsatz. Der kommt ab ca zehn Prozent Steigung ins Spiel. Hügelige Strecken oder stärkerer Gegenwind sind ok, wirklich Berge aber sollten mit dem Honbike vermieden werden. Da ist das Noord schon besser aufgestellt. Mit der kleinsten Unterstützungsstufe sollen bis zu 110 Kilometer drin sein. Dank der Nabenschaltung darf es dabei sogar ein wenig hügelauf gehen. Der Motor greift, wenn gefordert, ohne Umschweife ein und schiebt deutlich. Sowohl langes Stehen, auch bei Frost, wie normale Fahrten fordern den Energiespeicher des Holländers nur moderat, sodass die Normreichweiten bei mäßigem Elektroeingriff sicher locker zu schaffen sind.
Alltagstauglichkeit
Ob zur Arbeit, zum Einkauf oder raus ins Grüne, das Noord rollt auf seinen 28-Zoll-Breitreifen von Schwalbe und Anti-Rutsch-Profil sicher über alle Straßenbelege und macht auch im Gelände nicht schlapp. Zudem sorgen Räder und Sellee-Royal-Sattel für einen gewissen Komfort, den das sonst ungefederte Rad hätte vermissen lassen. Das hört man bei Kanten und sonstigen Unebenheiten, wenn‘s gern mal metallisch klappert. Die mechanischen Scheibenbremsen vorn und hinten packen zu, brauchen aber durchaus eine starke Hand, wenn mal schnell verzögert werden muss. Das haben die Holländer mit den Japanern gemeinsam. Denn auch das Honbike nutzt rein mechanische Scheibenbremsen. Die 27,5-Zoll großen Reifen sind noch einen Tick breiter und geben entsprechend mehr Federungskomfort. Der wird auch durch die schicken einteiligen Magnesium-Felgen mit sechs Speichen nicht beeinflusst. Das Uni4 ist dabei ein typisches City-Rad, das das flache Gelände liebt, nicht allerdings nur die Straße.

Eigentlich nur dort ist das „Silver Arrow“ zu Hause. Die schmalen Hochleistungsreifen mit kaum Profil, die fast liegende Fahrposition und die insgesamt brettharte Ausführung mögen weder Unebenheiten noch alles, was die Gesamtkonstruktion erschüttern könnte. Der Fahrer sollte also druchaus Nehmerqualitäten mitbringen. Keine Kompromisse geht man bei der Sicherheit ein. Die Scheibenbremesen arbeiten hydraulisch mit Bioöl und packen sofort zu. Verständlich, gibt es doch eine rein motormäßig aufgebohrte US-Version, die bis zu 45 km/h schnell ist.
Und sonst...?
Mit durchweg über 20 Kilogramm ist keiner der Kandidaten wirklich geeignet, durch die Gegend getragen zu werden. Das sollte bei der Einsatzplanung durchaus beachtet werden. Alle drei haben serienmäßig einen Seiten- bzw. einen Kippständer dabei. Das Noord bringt darüber hinaus noch seine eigene mechanische Sicherung mit. Es ist sowohl ein Felgenschloss als auch eine montierte Kette vorhanden, mit der das Rad an festen Bauwerken „angeleint“ werden kann. N+ sichert das Bike elektronisch, indem nach dem Einschalten ein vierstelliger Code auf dem Display eingegeben werden muss. Honbike arbeitet dafür mit einer App und GPS-Überwachung. Der Japaner und der Aussi kommen teilmontiert in einer großen Kiste in Haus. Der Zusammenbau ist eigentlich selbsterklärend, zur Not helfen entsprechende Youtube Videos. Am einfachsten haben es künftige Noord-Besitzer, denn denen wird das Rad direkt und fertig vor die Tür gestellt.
Eine Frage des Preises
Womit wir beim nicht unwesentlichen Punkt des Preises wären. Wie eingangs erwähnt bieten die Holländer Bike-to-go. Genauer gesagt ist das ein Mietmodell, bei dem der Nutzer für etwas über 20 Euro die Woche das Komplettpaket bekommt. Also fertiges Rad angeliefert, allen Service sowie notwendige Versicherungen. Sicher kein Engagement auf Dauer, da man nach zwei Jahren mehr als den Anschaffungspreis bezahlt hat. Andererseits muss über die radlfreie Zeit wie den Winter nicht gemietet werden. Und für alle, die E-Bike erstmal erfahren möchten, ist das sicher eine gute Einstiegsvariante. Nachteil: Noord bietet den Service nur in Ballungsräumen an. Das Uni4 bekommt der geneigte Interessent für knapp 1700 Euro zugesandt. Bei Mercedes muss fast das Dreifache auf den virtuellen Tisch gelegt werden.
Für (fast) jeden Geschmack ein Rad
Robuster Lastenesel auf Zeit, fernöstliche Designikone oder stylischer Supersportler - wer die Wahl hat, hat die Qual. Alle drei Bikes erfüllen allgemeine und spezielle Anforderungen. Und der „Silver Arrow“ auch für jede Größe. Denn die beiden anderen Kandidaten sind für Radler über 1,8 Meter nur bedingt geeignet, da sind die Abstriche bei der Alltagsnutzung für größere Zeitgenossen schon erheblich. Wer Ersatz für sein konventionelles Sportgerät sucht, ist sicher bei N+ richtig. Der Silberpfeil taugt fürs Training ebenso wie für den Boulevard und bietet in Sachen Performance und Technik das meiste, ist in Sachen Zusatzausstattung Sportwagen like aber eher spartanisch unterwegs (Gepäck, Licht, Federung, App). Dafür kostet das Rad mit knapp 5000 Euro allerings eine richtige Stange Geld. Zumindest auf Zeit ist da das Noord die preiswerteste Variante. Mit Schaltung, Sicherheit und Gepäck-Möglichkeiten vom Start weg zudem bestens ausgestattet. Lediglich das Display ist echte Sparvariante. Ein eher anspruchsloses, aber dafür um so alltagstauglicheres Rad, das bei allen Bedingungen Spaß macht. Wer gern alternativ und gut aussehend zur Arbeit will, ist in der Stadt mit dem Honbike gut beraten. Noch moderat im Preis, dank App, integriertem Display und Licht rundum versorgt, macht das Uni4 vor allem im urbanen Großraum viel Freude. Mit Möglichkeiten zur weiteren Ausstattung in Sachen Gepäck nimmt dann auch der Nutzwert weiter zu.
E Bikes Test-Fazit
Einsatzmöglichkeiten und Geldbeutel entscheiden letztlich, welcher der drei Kandidaten bevorzugt wird. Alle arbeiten zuverlässig und ausdauernd. Verarbeitung und Sicherheit sind durchweg gut. Das „Silver Arrow“ von N+ als teuerstes Bike bietet in Sachen Sportlichkeit, Range und Aussehen den meisten Mehrwert. Aber auch das Honbike ist ein echter Hingucker, das dank App digitale Features mitbringt. Ein echtes Pendler-Rad. Vom Start weg am alltagstauglichen kommt das Noord daher. In Sachen Geländebedingungen oder Gepäck unproblematisch. Und selbst bei den Kosten immer überschaubar.